Kunst als Kommunikationsmittel

Werkproduzierende künstlerische Arbeit unterscheidet sich von handwerklicher in ihrem Bemühen um Transzendenz, dem Überschreiten der Erfahrung, des sinnlich Erkennbaren und der gegenwärtigen Perspektive. Zu Transzendenz zu verhelfen, ist einem Werk nur als kommunikatives Mittel möglich. Der werkproduzierende Prozess stellt einen Teil des Prinzips Kunst dar, die Reaktion auf das Werk durch Konsumierende, in der es eine Bedeutung erhält, den ergänzenden. Zu Kunst werden kann ein Werk erst ab dem Zeitpunkt, an dem es auf diesen bedeutungsgebenden Vorgang trifft, gleichgültig, welche Wertung es in ihm erfährt. Auch die Werkproduzierenden können nur durch Konsum und folgende Bedeutungsgebung an der transzendenten Ebene teilhaben, wobei Wechsel zwischen werk- und bedeutungsproduzierender Ebene üblicherweise schon in der Phase der Entstehung des Werkes stattfinden. Die Bedeutungsebene ist der werkproduzierenden Ebene deshalb übergeordnet, weil Transzendenzerleben auch ohne das Wirken menschlicher Werkprozesse, nicht aber ohne Bedeutungsprozesse möglich ist, etwa im Naturerleben. So lässt sich der Werkprozess als Vorbereitung des bedeutungsproduzierenden Prozesses deuten; auch deswegen ist er ihm untergeordnet.
Wer sich auf die eigene Werk- und Bedeutungsproduktion beschränkt und die Kommunikation mit anderen ausklammert, arbeitet zwar an der eigenen Selbstverwirklichung, weil durch Konsum des eigenen Werkes ein größeres Verständnis des eigenen Selbst geschaffen werden kann, schafft aber keine Kunst.
Ein Werk, das erst in späterer Zeit von Konsumierenden als Kunstwerk „entdeckt" wird, war seiner eigenen Zeit keinesfalls voraus; vielmehr wird es erst durch das ihm von den Bedeutungsgebenden entgegengebrachte Verständnis, gleich welcher Ebene, zu einem Kommunikationsmittel.
Die unterschiedlichen Kunstgeschmäcke erklären sich daraus, dass unterschiedliche Werke bzw. Kunstrichtungen unterschiedlichen Menschen Wege zum künstlerischen Teil der transzendenten Kommunikation öffnen. Zu dieser ist ein persönlicher Austausch zwischen Werkproduzierenden und Bedeutungsgebenden nicht notwendig, mag sich aber kommunikativ befruchtend auswirken und empfiehlt sich zur Vervollkommnung von Kunst als Sprachform.
Ziel der künstlerischen Kommunikation ist es nicht, nachzuvollziehen, was die Werkproduzierenden aussagen wollten, sondern eine Sensibilisierung der eigenen Wahrnehmung und eine Bedeutungsgebung aus der eigenen subjektiven Perspektive heraus. So können Werke nur als Anregung zu Beschäftigung und Kommunikation gemeint sein und halten einer von ihrer Aufgabe als kommunikatives Mittel losgelösten Verehrung nicht stand.

 M. D. Schuster